2.6.

Die Ärzte haben fest gestellt, dass ich meine Atemaussetzer vor allem nach meinen Mahlzeiten mache. Wenn das Bäuchlein schon durch den vollen Magen gefüllt ist, hat die Lunge weniger Platz, sich auszudehnen. Vielleicht vergess ich darum immer so oft das Atmen nach dem Essen. Deshalb wurde mir nun eine Dauersondierung verordnet. Nun bekomm ich non stop Muttermilch eingepumpt.

Am Morgen war ich wieder mal auf der Waage. Ganze 100 g hab ich in nur 3 Tagen zugelegt, ich bin jetzt 1080 g schwer. Vielleicht war dies jetzt doch eine Spur zu viel, denn meine Arme und Beine sehen aus, als hätte ich Wasser eingelagert. Was soll ich jetzt dazu sagen? Nehm ich nicht zu, ists nicht recht. Nehm ich andererseits sehr viel zu, sind sie auch wieder nicht zufrieden. Denen kann mans echt nie recht machen!

Am Nachmittag hat Mami unseren ganz persönlichen Känguruhstuhl mitgebracht. Zusammengelegt sieht er aus wie ein Golfschläger (jedenfalls dachte dies eine Schwester beinahe J ). Mit ein paar wenigen Handgriffen ist er bereits aufgestellt. Wetten, dass ganz viele Schwestern diesen raffinierten Stuhl bewundern werden?

Als Mami mit diesem wunderbaren Ding anmarschiert kam, gabs gleich noch eine Überraschung: Ich habe eine neue Zimmernachbarin gekriegt. Die Simea durfte die Abteilung wechseln und kann sicher schon bald entlassen werden.

Später kam unsere Krankenschwester hinzu und erzählte Mami, dass heute ein Chirurg bei mir war und meine Hautrötung am Arm untersucht hat. Er hat sie punktiert, also reingestochen und etwas Saft raus gedrückt, der sich leider als Eiter heraus gestellt hat. Dieser wird nun in ein Labor geschickt damit sie ganz genau wissen, welche Bakterien mich da plagen.

Nun krieg ich Antibiotika gegen diesen Infekt. Da mein Abwehrsystem deswegen geschwächt ist, wird mir das Medikament gegen den Pilz weiterhin verabreicht. Eigentlich wollten die Ärzte ja damit aufhören, doch wollen sie jetzt nicht riskieren, dass der Pilz erneut bei mir ausbricht.

3.6.

Heute wurde doch tatsächlich mal wieder meine Länge gemessen. Haltet euch fest: ganze 37 cm bin ich bereits lang!

Am Nachmittag folgte dann wie üblich das Känguruhen bei Mami. Die erste halbe Stunde jammerte ich jedoch nur herum. Sonst gab es doch während diesem Kuschelstündchen immer etwas zu trinken und mein Magen wurde gefüllt. Jetzt solls dies auf einmal nicht mehr geben? Die Schwestern haben ja was von Dauersondierung gesagt, aber ich versteh dies nicht so ganz L . Erst ein Muttermilch-Wattestäbchen konnte mich dann wieder beruhigt. Hab ichs nicht gesagt, dass ich bei Mami immer so leckere Muttermilch kriege?

Die Ärzte sind mit mir übrigens ganz zufrieden. Ich mach jetzt viel weniger Atemaussetzer, die Dauersonde scheint bereits geholfen zu haben.

4.6.

Meine Familie hatte heute ziemlich Pech mit den Besuchszeiten. Mami und Luana waren noch gar nicht lange bei mir, als sie wegen der Arztvisite schon wieder gehen mussten. Luana war darüber nicht gerade erbaut, hatte sie doch noch nicht alle Kinderbücher angeschaut.

Noch mehr Pech hatte jedoch mein Papi. Er kam etwas später, direkt von der Arbeit, und musste dann ganze 40 Minuten warten. Die Ärzte hatten so viele wichtige Sachen zu besprechen und wollten wie immer ungestört sein.

Am Nachmittag jammerte ich dann schon wieder beim Känguruhen. Es ging eine ganze Weile, bis ich endlich mein geliebtes Wattestäbchen kriegte. Danach kuschelte ich noch eine Runde bei Mami und war mit der Welt wieder zufrieden.

5.6.

Nun bin ich bereits einen ganzen Monat alt und 1130 g schwer. So langsam mache ich mich!

Die Schwester hat mir heute ein hellblaues T-Shirt angezogen. Mami fand, dass es wie ein Nachthemd aussah, aber dennoch ganz süss war. Na ja, ich trage doch keine Nachthemden. Tststststs, bin entsetzt! Mami wollte gleich ein Foto von mir machen, hat dies aber mit dem neuen Fotoapparat nicht hingekriegt. Nun gut, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.

Bei Känguruhen habe ich mich ganz gut gemacht – ich hatte keinen einzigen Atemaussetzer und der Monitor musste nie piepen. Man darf den Tag jedoch nie vor dem Abend loben: Meine Abfälle hatte ich dann später am Tag schon noch, auch ein paar Bradykardien gesellten sich dazu. Also alles beim alten!

Da gibt’s auch noch was anderes, das mir zu schaffen macht. Nebst dem Infekt auf dem Arm hab ich nun auch noch einen auf der Brust. Derjenige des Armes könnte sich über das Blut bis hin zur Brust ausgebreitet haben.

Die Ärzte entschieden deshalb, meine Antibiotikadosis zu erhöhen. Weg mit all diesen Käferchen, die mir das Leben erschweren. Die haben mich jetzt schon lange genug geplagt.

Später kamen andere Ärzte mit einem komischen grossen Kasten zu mir und durchleuchten mich damit. Röntgen nennen die das. Kurze Zeit später erzählten sie der der Krankenschwester dann, dass mit mir soweit alles in Ordnung ist und der Infekt nicht bis auf die Knochen geht. Das ist ja noch mal gut gegangen! Keine Ahnung, wo dies sonst hingeführt hätte.

Doch ich bin noch nicht fertig für heute: Als hätte ich nicht schon genug Programm gehabt, wurde auch gleich noch mein Köpflein mit kaltem Gel beschmiert und von einem weiteren Herr Doktor mit einem komischen Gerät beschallt, diesmal ein Ultraschallgerät. Auch dieser Arzt konnte der Schwester berichten, dass ich mich bestens halte und keine Hirnblutung vorliege. Wie erwartet sei das Gehirn jedoch noch nicht ganz reif, und es muss weiterhin mit besonderer Vorsicht behandelt werden, nicht dass doch noch was kaputt geht. Keine Ahnung, wovon sie reden, sie werdens aber wohl wissen.

6.6.

Die Infektion macht mir nun doch etwas zu schaffen. Am Morgen hatte ich sogar leichtes Fieber (38°C), so dass die Temperatur in der Isolette von 31,5 auf 30,5°C gesenkt werden musste. Nun ist es in meinem Glashäuschen etwa gleich warm wie draussen vor dem Fenster, wo der Hochsommer Einzug gehalten hat. Eigentlich müssten die Schwestern meine Isolette nicht noch künstlich aufheizen sondern könnten mich einfach nach draussen legen.

Später pendelte sich meine Körpertemperatur wieder ein und war nur noch leicht erhöht. Das wird schon wieder!

Ich hab jetzt übrigens was Tolles gelernt: Wenn mich die Schwestern in meine geliebte Bauchlage legen und mein Köpfchen auf eine Seite hinschaut, dann heb ich auch schon mal mein Köpfchen und schau dann auf einmal in die andere Richtung. Mami ist ganz stolz auf meinen kleinen Kraftakt – doch die Begeisterung der Schwestern hält sich in Grenzen. Wenn ich mein Köpfchen drehe, dann liege ich direkt auf meinem Nasenschlauch und es gibt unschöne Abdrücke im Gesicht. Nun ja, mit Verlusten muss man halt immer rechnen.

Die Schwester erzählte Mami dann noch, dass das Röntgen von gestern ergeben hat, dass in den Lungen etwas Wasser drin ist. Für solch kleine Kerle wie mich sei dies ganz normal. Ich krieg von jetzt an Medikamente gegen diese Wassereinlagerungen, welche ich allem Anschein nach auch in den Armen und Beinen habe.

7.6.

Heute gibt’s nicht ganz so viel zu berichten, was eigentlich ein gutes Zeichen ist. Ich mach nur wenige Abfälle, und die Temperatur der Isolette konnte weiter gesenkt werden.

Mami hat mir heute zum Känguruhen den Body schon fast alleine ausgezogen, die Schwester musste nur noch ein ganz klein bisschen helfen. Ich sag euch, aus Mami wird auch noch mal ein richtig grosses Mädchen!

8.6.

Ich bin jetzt 1080 g schwer. Das sind 50 Gramm weniger als bei der letzten Messung. Die Medis gegen die Wassereinlagerungen scheinen Erfolg zu haben. Ich schwemme das überflüssige Wasser aus und verlier dadurch auch leicht an Gewicht.

Und noch die schlechte Nachricht des Tages: Der Infekt auf meiner Brust ist ziemlich rot und wurde deshalb punktiert. Es kam dann auch tatsächlich Eiter heraus, ich hab also wieder mal eine handfeste Entzündung. Diese ganzen Hiobsbotschaften müssten doch endlich mal ein Ende nehmen!

< 4. Woche